Kathedralen
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Die Architektur der gotischen Kathedralen ist aus verschiedenen
Gründen faszinierend: Sie ist Stein gewordene - blutige - Geschichte
des christlichen Abendlandes (ihr Bau zog sich meist über viele
Jahrhunderte hin), sie war steinernes 'Lesebuch' des mittelalterlichen
und spätmittelalterlichen Menschen durch die Einarbeitung christlicher
Ikonographie in den Fassaden, und sie ist die paradoxe Verbindung
von weltlicher wie kirchlicher Machtdemonstration und dem Ausdruck
äußerster Innerlichkeit.
Die vierteilige Darstellung der Kathedrale von Rouen bezieht sich
kunsthistorisch auf die über 40 Ölbilder von Claude Monet,
die er von dieser Kathedrale machte. Die hier verwendete Perspektive
ist nahezu identisch mit der damaligen von Monet, die sich ihm von
den Fenstern seines Zimmers im gegenüber liegenden Hotel bot.
Eine weitere Korrespondenz zeigt sich in der starken malerischen
Auflösung der steinernen Masse, welche die Materialität
des Baus weitgehend aufhebt.
Im Bild der Kathedrale von Rouen gibt es eine Lesrichtung im Uhrzeigersinn:
die mit der Fassade verwobenen roten Figurenzeichen verwandeln sich
über abstraktere Zeichen in die steinernen Standbilder des
sakralen Baus.
Das durch die Rosetten in den Innenraum von Reims fallende rote
Licht stellt eine ungewollte historische Referenz her: Die Kathedrale
wurde während des 1. Weltkrieges von deutscher Artillerie teilweise
zerstört; das Blei der Dachverkleidung schmolz beim Brand des
Dachstuhls und gerann in den Wasserspeiern, wo es noch heute zu
sehen ist.
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